Esels Staelleken, das Mondsiepen und der silber-goldene Mess-Kelch
Dank Freienohler Frauen mit unserer St. Nikolaus-Schützenbruderschaft

Auf einem Esel tagtäglich zur Schule reiten – in Freienohl! Das war früher! Heutzutage bringt das Schulkind zur Schule Oma oder Mama mit dem Auto. Oder es fährt allein mit dem Bus – mit „den besten Freundinnen“ oder „Freunden“. Vor 100 Jahren ritt ein Schulmädchen auf seinem Esel – fast bis zur Schule. Bis zum Esels Staelleken.
Da, wo das Mondsiepen, kaum noch sichtbar, weil versiegt, versiecht aus Altersgründen, die Straße von der Langelbrücke hinauf in die Giesmecke kreuzt, oder wo die Straße von der Giesmecke  am Rand des Waldstücks Hohlknochen hinab ins Ruhrtal führt, da wo in der Kurve eine kleine wilde Wiese liegt, da stand zwischen 1916 und 1924 ein kleiner wetterfester Holzstall: Esels Staelleken.Freienohlerisch: „i-assels schtälleken“. In jenen Jahren lebte im Försterhaus hinten in der Giesmecke am Ende einer kurzen, für Kinder wunderschönen Kastanienallee die Familie des Försters Jakob Thomas. Freilich, das Haus gibt es seit Jahren nicht mehr. Familie Fleckner wohnte zuletzt darin. Die Tochter des Försters Jacob Thomas  (noch ist ihr Vorname und ihr genaues Alter unbekannt) ritt an jedem Schultag auf seinem Eselchen bis zu seinem Staelleken. Morgens ganz früh, pflichtgemäß erst zur Schulmesse (wenn man da fehlte, gab´s eine Strafe, wenigstens bei den Jungen, Knaben hießen sie damals offiziell). Das Schulkind band sein Eselchen im Stall fest, sicher lag da Futter und ein Pott mit Trinkwasser vom Mondsiepen, und es ging weiter zur Kirche, den „Hügel“ hinauf, wenn es zur Kirche ging. Das Katersiepen hinauf zur Neuen Schule ging. Die wurde später Feuerwehrhaus. Nach der Schule ging das Mädchen wieder nach Hause. Durch das Katersiepen. Da standen damals noch keine Häuser, erst unten auf der „Alten Wiese“. Und asphaltiert war das Katersiepen noch lange nicht, noch nicht mal die Abfallhalde war da. Da wo jetzt der Querweg, links nach Hatzig und rechts nach Vorderwülbecke, Feldmann und Düring führt, kreuzte das Wasser des Siepen den Weg. Nicht immer war das lustig, darüber zu springen. Die Langelbrücke, freienohlerisch auch: Langelsbrücke, w damalse eine Holzbrücke. – Auf Freienohler.de ist der Weg gut zu sehen. -  Am Esels Ställeken wurde der Nachhauseweg wieder leichter. Der Esel trug das Mädchen sicher ganz geruhsam wieder nach Hause, wenigstens bei schönem Wetter. Aber wie war das bei Regen, bei Kälte, im Winter mit Schnee? Das wissen wir nicht.
 
Beim Esels Staelleken kreuzte das Mondsiepen. Siepen gibt es viele im Sauerland, geradezu munter herabfließende Bäche. Sauberes Wasser zum Trinken für Mensch und Tier, für die Küche zum Kochen und Saubermachen, zum Wäsche-Waschen... Warum das Mondsiepen MONDsiepen heißt, wissen auch ganz alte Freienohler – um 2020 – nicht. Noch früher wussten das alle. In den Freienohler Archiv-Akten  im Jahr 1900 steht nur der Name, nichts über den Mond. Sprachgeschichtlich meint Mond auch Moder, Sumpf, Schmutz. Das passt freilich nicht zum ganz und gar positiven Wert des Mondsiepen, - gleich. Am Mondsiepen hinab zum Obergraben zur Linneborn’schen Fabrik, führte ein ganz schmaler Weg, ein Hohlweg. Dieser Wortteil hängt zusammen mit dem Hohlknochen, meint also historisch-geschichtlich nicht die steinbruchähnliche Aushöhlung. Der zweite Wortteil „knochen“ kennzeichnet die kleine bergige Steigung + Wald nördlich der Langelbrücke. Eine Verkleinerung vom Wort Küppel und nicht nur von unserem Küppel. Hier bezieht sich „Knochen“ nicht Tier- oder Menschen-Knochen. Die auch offiziell angelegte Freienohler Schinderkuhle befand sich südlich  vom Bergemer, südlich vom  Prozessionsweg, Flur 3: Buchholz. Schinder meint die Knochen-Reste vom Schlachtvieh, Tier-Kadaver, regelmäßig mit Erde zugedeckt, damit die Füchse nicht drankommen.
 
Nun – im Jahr 1909 - zum Dank an Freienohler Frauen und zum silber-goldenen Messe-Kelch (Messkelch zur Feier der Hl. Messe). Etwas Vorgeschichte: Also vor 1890 feierten die Freienohler ihr jährliches Schützenfest auf dem freien Platz unter den damals schon 100-jährigen Eichen, gelegen zwischen dem Obergraben und der – erst späteren – Firma Bredt. Hier baute dann unsere St. Nikolaus-Schützenbruderschaft ihre, die alte Schützenhalle. Bauunternehmer war Caspar Keßler (sein hoffentlich so erhalten bleibendes  mit rotem Backstein erbautes Haus: an der Hauptstraße, gegenüber der Neuen Schule, dem alten Feuerwehrhaus, jetzt Pizzeria). Am 6. Juli 1890 wurde sie von Pfarrer Julius Falter (1886-1902) eingeweiht. So schön fand er das nicht. In seiner Pfarr-Chronik schreibt er: „Das Schützenfest, welches früher unter den 100-jährigen Eichen gefeiert wurde, hat durch den Bau an seiner Originalität verloren.“ Vielleichtkannte er nicht, wie auch nicht manche amtskirchliche Praxis die evolutions-orientierte Erfahrung: „Tempora mutantur et nos mutamur in illis – Die Zeiten ändern sich und wir in ihnen“ (Ovid und Caspar Hubertinus, siehe Wikipedia). Im Laufe der Jahre kümmerten sich – natürlich – die jungen und älteren Frauen um die Sauberkeit der Biergläser, des Geschirrs, der Töpfe und Pfannen und Tische usw. Mehr frisches Wasser wurde Not wendend. Das Wsser des Obergrabens, der Ruhr war nicht sauber genug. Das Mondsiepen bietet seine Reinheit und Menge an. Mithilfe einer Extra-Rohrleitung unter den Obergraben lässt sich das Problem lösen. Der Freienohler Fabrikbesitzer Adalbert Linneborn ist Besitzer des Obergrabens. Und dieser ist lebens-notwendig für die Leistung seiner Fabrik und für die Freienohler Mitarbeiter in der Fabrik. Darum kann nur am Sonntag das Schütz, das „Tor“ geschlossen werden, der Wasserzufluss durch den Obergraben in die Fabrik. Das bedeutet: die Arbeiter, die Rohrverleger können an diesem Sonntag nicht „zur Kirche gehen“. Damit ist Pfarrer Karl Steimann überhaupt nicht einverstanden. Er will, kann, darf die Unterlassungs-Sünde der St. Nikolaus-Schützenbruderschaft nicht erlauben. Doch die Schützen denken und handeln weiter, umfassender. Ihre Frauen brauchen das saubere Quellwasser des Mondsiepen zum regelmäßigen Saubermachen für die Feste und Versammlungen in der Schützenhalle und die Schützen brauchen dieses glasklare Wasser zum Bierbrauen. 1907 wird die Rohrleitung vom Mondsieoen installiert.  Und die Schützen sind klug, haben langjährige Erfahrung mit Brauchtum: sie machen dem Pfarrer ein Buß-Geschenk: einen silbervergoldeten Kelch. So herrschte wieder Frieden zwischen Pfarrer und Schützenvorstand. Dieser Kelch ist ein Meisterwerk vom Goldschmied Josef Fuchs in Paderborn, für 450 Mark: am Fuß-Rand außen sind aufgearbeitet 6 wunderschöne kreisrunde Heiligenbilder mit dem Blick nach Oben zur Kelchmitte. Unter dem Kelch-Fuß ist eingraviert: „Vom Schützenverein gestiftet im Jahre 1909“. Also feiert der Herr Pastor Jahr für Jahr am Schützenfest die Eucharistiefeier mit diesem Kelch.
 
Heinrich Pasternak
Alle Text-Quellen sind lesbar im Stadtarchiv Mescvhede in Grevenstein, teilweise im Pfarrarchiv Freienohl im EBAP-Erzbischöfliches Archiv Paderborn.